Kater
in Klagenfurt
"Da
müsste man eigentlich Päderast werden, da, bei so wenig Möglichkeiten
und weil der – wahrscheinlich „Karl“ oder „Ernst“ – ich sollte
ihn fragen, wie der da hockt zwischen den Kunden auf und den
Hunden unter den Bierbänken, weil er jedenfalls tätowiert ist
am linken Unterarm: eine Windrose, ein Schwert, schlangenumschlungen
und ein Herzerl, mit „G+E“ innen hautverwaschen schon, ein Scharfrichter
mit Kapuze auf dem rechten Oberarm, hält eine Axt in der Hand,
und Ernst (jetzt wegen des „E“s – man denkt ja auch sein Zeug
zusammen), also Ernst hat tatsächlich einen Bierbauch unter
dem Unterhemd, ein Unterhemdbierbauch, trinkt aber Wasser, nicht
wie der Radlermensch schräg links mit dem MP3-Player in der
Rückentaschen, Musik statt Getränkeflaschen, isotonische Musik
also, der trinkt Weizen – weil er’s darf wohl, mit seinem Trikot
und den Wadler, nein Radlerbeinen, und was da vorbeijoggt, besonders
über dem Bauchnabel hebt und senkt wohl Aug und Genital; ja
eben Päderast, weil sie alle so jung sind noch oder doch, da
könnte man glatt klingeln an den frischen Häusern aus Blech
am Fluss, Briefkastenhäuser, fragen, ob man auf die Toilette
dürfte, oder auf’s Klo, und wenn ja, dort onanieren: in den
Wäldern hier geht’s ja schlecht, weil so viel Verkehr ist obenrum
und untenrum, Brust und Hunde und Ärsche und Goldketten, wie
sie Ernst trägt, vor sich das Puten, Messer und Gabel in Servietten
mumifiziert, während hinterm Strandbadgitter Damen in Unterwäsche
vorbeigondeln, Unterwäsche nur, weil’s die Form ist, aber eigentlich
Schwimmutensilien, also Badeanzüge, das klingelt nicht so wie
Lingerie in den Augen oder wie es das Handy am Gürtel (in der
eigenen Handygürteltragetasche wohl verstaut) tun könnte, was
es aber nicht tut, gut für die Handlung, die sich doch im Innern
vollzieht, Handlung durch Wandlung, die Zähne zertrümmern Pommes
frites und Steak, das Eingeweide freut sich, schaut durch die
Augen in die Zukunft, freut sich auf die Zukunft, wie sie auf
dem Teller da unten liegt, kreisrund, nach Sattheit riecht;
und der Kopf isst die Gedanken mit, denkt Pute, also junge Pute,
dumme junge Pute, also Frau essen, Kannibalismus, schaut sich
alles durch – Gott sei dank – Sonnenbrillengläserl an, da sieht
man das Schwarzdenkwedeln nicht, wahrscheinlich schmatze ich,
lecke meine Lippen beim Gedanken, ich wäre Arzt – genauer Chirurg,
das Putenfleisch der Patient, derweil zuckt der Fußknöchel (med.
Epikondylus) zu dem des Tischnachbarn gegenüber, die Augenbrauen
(lat. supercilium) heben sich, links: „Pass mal auf, was da
über den Kiesweg kommt im Rock“, rechts: „Was ist denn los,
was gibt’s ?“: Päderast also, oder doch eher das Gegenteil:
nicht Seniorenbeischlaf, nicht so schlimm, aber 4o, Mitte 4o,
die Brüste hängen schon, aber in den Mund würde ich sie trotzdem
nehmen, nehmen, ja, kopulieren vielleicht dann auch, während
sie auf kärtnerisch jauchzt und seufzt und stöhnt und spricht:
„Mochs miah bie-dé“, aber vielleicht ist sie auch Lesbierin,
sagt man Lesbe oder Lesbierin, während die Tomate zwischen
den Backenzähnen auseinanderkracht, egal: Frauen, zwei, nackt,
geschlechtliche Handlungen, schon klar, aber nur, weil da ein
weiblich pinker Stretchhosenhintern vorbeiskatet, knackig bricht
der Salat, aber das Kinderle im Kinderwagen, der vor ihr geschoben
flitzt als Rammbock: das ist postnatale Affektiertheit und gleichzeitig
Attraktivität, die man in den Fingern kneten will, da nützt
auch kein Lächeln: es ist so billig, wie es mir aus dem Hintern
scheint, trägt also die Dame ein T-Shirt, auf dem über der Mutterbrust
„Mama“ steht – da flunkere ich nicht, da wundere ich nur – unverschämt
in Versalien, aufhalten im Gebüsch, mit Kieselsteinen aus der
Tasche, die ich schnell auf den Weg streue, als sie anfährt,
der Kinderwagen, die Rollerskates stocke, sie fällt, ich nehme
sie, das Kind esse ich zuerst und dann frag ich sie, wie Lesben
(oder Lesbierinnen) eigentlich „Mama“ sein können, und klingele
wieder, um da herinnen zu masturbieren, zu mastulesbieren, sagen
dazwischen: „Schön ist das hier in Klagenfurt, wirklich, wobei
es schon ziemlich geregnet hat, die letzten Tage, ist das immer
so ? Nein, sagen die Leute, i könnt mi nett ärihn-nern, dos
des jemols so gerägnett hä-tte wie hoier, ich bin ja nicht von
hier, ich bin Literat, so ? ahn Liderahd ? Die Lider hinter
den verspiegelten Augengläsern nicht erkennbar, der Blick auf
zweiter Ebene schon, entsteht da doch ein konvexer Monitor,
der die gleichen Bilder zeigt, wie sie auf die konkave Netzhaut
(lat. retina) fallen, deswegen fällt auch kokett der Bade-BH-Riemen
links über eine braune Schulter, wird nicht zurückgeschoben,
wie man sieht; auch das Tatoo über dem Podex (dt. Arschgeweih)
ist Blickfang, aber „wenn die EM nach Österreich kommen sollte“,
rudern die Augen zurück über die Biertischmitte, denn „füa zwa
Spiele rentierd sich döhs nett, also füa mi, füa di Wiatschoft
scho“, ja Wirtschaft, also hole ich ein zweites Radler, obwohl
viertel vor drei könnte ich auch ein Vierterl trinken, damit
sich die Uhrzeit im Glas spiegeln kann, aber nun hätte ich lieber
einen Taschenspiegel, um zu schauen, ob der Träger ein wenig
brustfrei zeigt, aber so muss ich vorne doch auf die 4oer schauen,
ich könnte schwören, sie würden bei jedem Lidschlag härter,
aber auf meine Mutter nicht – so wichtig ist das auch nicht,
selbst Ernst hat genug und verabschiedet sich vom Tisch, um
den Hals seine Goldketten, ich glaube also manchmal, es läge
an mir, ich wäre ein Menschenmagnet, es müsse so sein, dass
Robert Schindel (von einer pferdegesichtigen Dame im Publikum
als „der mit dem jüdischen Profil“ tituliert), neben mir pinkelte,
im ORF-Theater, Uwe Tellkamp mit mir über Hosenkauf (es ging
um kurze, praktisch in der Beinfreiheit beim Autorenfußballspiel)
sprach, er fragte, haben die Geschäft morgen offen, und ich,
wohl schon, er, hmm (unschlüssig), extra kaufen, ich, also bitte,
Herr Tellkamp, von 225oo Euro können Sie sich ja wohl eine kurze
Hose und Sportschuhe kaufen, also ich würde das, wenn ich Sie
wäre und morgen unbedingt spielen wollte, sagte ich da vorm
Büffet, vor der vegetarischen Lasagne, den Tortellini und im
Rücken Hähnchenflügel und Salate, das war, nachdem ich den Münzner
gefragt hatte (ganz im Sinne der Jury), ob der Clown in seiner
Geschichte tot sei oder nicht, und er, etwas verständnislos
und – will ich behaupten – humorlos, zurückfragte, im wirklichen
Leben, was ich bejahte, und er sagte, ja, und ich: gut, danke.
Oder das Zerede mit Burkhardt Spinnen, was mehr Zufall war und
im Biergehirn meinereiner versunken ist, warum schließlich das
Sektglas aus dem Fenster geworfen wurde, liegt es also an mir,
als wäre ich etwa der Schatten unterm Sonnenschirm und draußen
Bullenhitze, Hundstage sind das, viele Hunde gibt’s hier, unglaublich,
da wedeln die Schwänze, wird gekläfft und gehechelt, ein Geschnüffel
an Geschlechtsteilen, ein Hundekampf, Juli Zeh hatte auch ihre
Hunde dabei, hörte ich, sah es aber nicht, nur diesen einen
Pudel im Publikum, der zwischen den Zeilen lautstark würgte
und etwas herausbrach, das er danach wieder fraß, was also des
Pudel Kern war, bleibt ungewiss; von wegen Literatur, selbst
die Taxifahrer kennen die Bachmann, Herbert Repitsch hätte er
heißen können, wenn es sein Taxi gewesen wäre, denn: er hat
früher bei der Bank gearbeitet und die Bachmann „hots fria alle
2 Tage ihre Manuskriebte aus dem Säif kolt“, ehrlich, frage
ich, und er nickt, sagt, dass er eigentlich bei dem Sauwetter
(es regnet wie Sau, Katzen und Hunde) normalerweise auf Thailand
in seinem dortigen Haus weilt, Thailand, nicke ich, denke an
Goldketten, nicht schlecht Thailand, und dass er Croupier gewesen
is, sagt er, also nett sind sie die Österreicher, das ja, oder
liegt’s am Sprachwerk, weil die Worte Unterwäsche tragen statt
Bademode, nicht wie die Deutschen mit ihrer Reizwäsche, mit
ihrem gereizten Gewäsch, ihrer feuchten Aussprache, dem Wasser,
das im Kritikermund zusammenfließt, wenn’s denn mal was zum
zerbeißen gibt, was zum zerreißen, Reißwäsche also, die Wäsche
ist aus DIN A4 Blättern und wird zum Heulgrund, zum Spielplatz,
auf dem die Bälle hin- und herkonvertiert werden, koste es was
es wolle, nicht wie die 3 Euro 2o für das Strandbad am Wörther
See, dort gibt es noch Gitter und meine Augen legen die hüpfenden
Volleybälle in den gigantischen Einkaufswagen, die Bratwürste
nicht, schon eher die Mandelschokoladenhäschen – Mamas oder
keine – und wenn ein Sichtfeld ein Tag wäre, jede kleinste Veränderung
verstrichene Zeit bedeuten würde, säße ich hier schon eine Woche,
Monate, 28 Jahre vielleicht sogar, aber das – sagt das halbvoll
(oder halbleere, das überlassen wir den Schwätzern auf den Bänken
und am Tisch) Glas – ist unmöglich, da wäre ich längst verdurstet,
vielleicht verbrannt oder verdunstet, sagt das Glas, aber ich
nicke und sage, ich auch, das trifft auf mich zu, denke ich,
irgendwie bin ich tatsächlich auch verdunstet.“
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