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ich habe mir meinen schneidezahn ausgeschlagen.  mit einem schraubenzieher und einem hammer. war nicht einfach. aber notwendig, ich musste nämlich dringend wieder zum zahnarzt, meine zähne brauchen das eigentlich nicht, ich habe kein karies, keine parondontose, kein zahnfleischbluten, ich bekomme auch nichts davon, egal wie sehr ich es auch probiere mit zuckerwasser trinken und fehlender mundhygiene, was ist denn mit ihnen passiert, sagt die empfangsdame erschrocken, als ich in die praxis komme. mein zahnfleisch blutet stark, ich halte mir einen waschlappen an die lippen, um nicht alles vollzusauen hier. bin gefallen, sage ich, dumm gefallen, mitten aufs gesicht, der schneidezahn ist futsch, oje, wenn sie ganz kurz warten würden? ich nicke, gehe ins wartezimmer nebenan und atme tief ein und aus, durch die zahnlücke, die luft ist kalt und schmerzt, doch mein herz fühlt sich an, als würde jemand mit gewärmten backhandschuhen es umgreifen, warum, weil ich das quietschen ihrer schuhsohlen auf dem pvc-boden höre, es klingt hastig, sorgenvoll, weil sie wohl mitbekommen hat, was mit meinem mund ist, ein kleiner emergency-room-auftritt für zahnarzthelferin kirstin, für die liebe meines lebens, ich lächele, blut tropft aus dem loch im oberkiefer auf die "neue revue“ in meiner hand, um himmelswillen, sagt kirstin, wir wären dann soweit - haben sie schmerzen? du, sage ich, bitte, sie können mich duzen, und stehe auf, kirstin lächelt, ja es war ein lächeln, ich gebe ihnen am besten gleich eine spritze, den abgebrochenen stumpf muss ich nämlich herausschneiden, sagt der zahnarzt über mich gebeugt, ich nicke, verpiss dich, denke ich, laß mich mit kirstin alleine, kirstin, deren hände nun  plastikhandschuhe überziehen, das höre ich genau, und dann tritt sie an den behandlungsstuhl, ans kopfende, legt die hände links und rechts auf meine wangen, gehorsam öffne ich den mund, halte mich kirstin lass mich nie wieder los, bete ich sie an, und  das scandicain schießt wie ein hochkonzentrierter orgasmus heiß ins zahnfleisch, ob kirstin auf meinen schritt sieht, frage ich mich, waren sie - du - nicht schonmal hier? fragt sie, als der zahnarzt draußen ist wg. d. einwirkzeit, hmham, nicke ich. dachte ichs mir doch, sie haben wohl überhaupt keine angst vorm zahnarzt, was? du, sage ich mühsam, du, ja, daran muss ich mich erstmal gewöhnen, lächelt kirstin wieder, du hast also keine angst, nain im gegntail, schlucke ich, ein wenig blut rinnt aus meinem mundwinkel, wird von kirstin mit einem tuch zärtlich abgewischt, soo? sagt kirstin erstaunt, hebt bewundernd ihre augenbrauen, da bist du wirklich eine ausnahme. gott sind das zauberaugen sind das inselparadiese die ich mit dir bewohnen will für den rest unseres lebens für die ewigkeit mein gesicht in deinen plastikhänden und nicht nur die halbe stunde im behandlungsraum, ich bewahre die schmerztabletten auf, die sie mir dann am ausgang geben, wenn die spritze nachlässt, nehmen sie einfach zwei davon, für mein nächstes date mit kirstin, meiner zahnfee, das werde ich ihr beim nächsten mal sagen. kirstin, du bist meine zahnfee, werde ich flüstern, ich habe nachgezählt, 31 zähne habe ich noch, sieliebtmichsieliebtmichnichtsieliebtmich du liebst mich und ich mache die augen dabei zu und schlage fest auf den hartplastikgriff des schraubenziehers, besser nicht daneben, sonst muss ich zum hno-arzt, und die haben nur häßliche helferinnen, keine feen keine kirstin keine liebe meines lebens.